Schweizer Schützenmuseum Bern

18.01.2021: Das Museum ist zu, ich leg mich zur Ruh!

Die Schliessung der Museen förderte einen für mich interessanten Aspekt zu Tage. Nämlich das Wissen bzw. Unwissen darüber, was Museumsleute eigentlich den lieben langen Tag so tun.
"Das Museum ist ja jetzt zu, dann hast Du ja frei! Was machst Du jetzt eigentlich, wenn das Museum zu ist? Ich habe auf der Homepage gelesen, dass das Museum zu ist, aber ich hoffe, Sie lesen diese E-Mail vielleicht doch irgendwann einmal. Leeren Sie die Post ab und zu, jetzt wo das Museum zu ist?"
Mit grossem Erstaunen stellte ich also fest, dass viele Leute davon ausgehen, dass ein geschlossenes Museum den ultimativen Stillstand bedeutet. Um es gleich vorweg zu nehmen: Stimmt nicht! Und hier auch gleich der Beweis des Gegenteils:

In einem Museum wird gesammelt, bewahrt, geforscht, ausgestellt und vermittelt. Und das sogar hinter geschlossenen Türen.

Sammeln
Sammeln war schon immer ein Grundbedürfnis des Menschen. So bilden denn auch private Sammlungen oft den Grundstock vieler Museumssammlungen, die die Tätigkeit weiterführen, professionalisieren und die Bestände zielgerichtet und bewusst erweitern. Dazu gehört übrigens auch das sog. «Deakzessionieren», also die Aussonderung von Objekten, die nicht oder nicht mehr in die Sammlungen passen und andernorts besser aufgehoben sind.
Auch im Schützenmuseum wird gesammelt. Dazu gehört auch die Aufarbeitung der bereits bestehenden Sammlungen. Im Zuge des Inventarisierungsprojekts, geleitet durch Peter Weber, wird jedes Objekt vermessen, gereinigt und fotografiert, mit einer Inventarnummer versehen, einem Standort zugewiesen und in der professionellen Museumsdatenbank erfasst. Das Projekt setzte auch eine Neustrukturierung des Depots und die Erarbeitung eines Sammlungskonzepts voraus. Dieses wurde letztes Jahr vom Stiftungsrat verabschiedet und bildet die relevante Grundlage für die künftige Sammlungspolitik.

Bewahren
Objekte können aber nicht nur gesammelt werden, sondern ist es auch Aufgabe des Museums, sie vor dem Verfall zu schützen und zu bewahren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Schaffung von möglichst guten konservatorischen Bedingungen. Für kleine Institutionen mit einem begrenzten Budget ist das eine schwierige Aufgabe. Ein heikles Sammlungsgut sind beispielsweise die Textilien.
Im Schützenmuseum gibt es eine umfangreiche Fahnensammlung. Die fragilen Stoffe, viele davon aus dem 19. Jahrhundert, sind vom Zerfall bedroht. Für die künftige, möglichst fachgerechte Lagerung wurden sie unter Mitarbeit einer Textilkonservatorin begutachtet, gereinigt und inventarisiert. Gleichzeitig wurde der Einbau von Fahnenschränken zwecks Lagerung in flachem Zustand geplant und nach umfangreichen baulichen Massnahmen installiert.

Forschen
Eine weitere wichtige Museumstätigkeit ist das Forschen. Dabei werden Erkenntnisse über einzelne Objekte oder ganze Objektgruppen dokumentiert und in einen Kontext eingeordnet. Ein wichtiges Instrument bildet hier die Museumsdatenbank, wo solche Informationen festgehalten werden. Das Schützenmuseum ist aber auch Auskunftsstelle für Dritte zu Fragen aus dem Bereich des Schützenwesens. So gehen bei uns jährlich zahlreiche solcher Anfragen ein, die mit mehr oder weniger viel Aufwand beantwortet werden.

Ausstellen
Mit Ausstellungen präsentiert sich das Museum gegen aussen. Das geschieht meist in Form einer Dauerausstellung und mit thematischen Wechselausstellungen.
Die Dauerausstellung im Schützenmuseum ist in die Jahre gekommen. Sie soll denn auch 2024 – im Jubiläumsjahr des Schweizerischen Schiesssportverbandes – in einen neuen Mantel gebettet erstrahlen. In einen solchen hüllt sie sich aber keinesfalls einfach von alleine ein, sondern bedarf ein solches Projekt viele Stunden Planungs- und Vorbereitungsarbeit. Dazu kommen die jährlichen Sonderausstellungen. Die letzte – Alles zu seiner Zeit. Eine Tour d’Horizon durch die Sammlungen(der Name ist Programm, aber das ist ein anderes Thema) – hätte im November 2020 eröffnet werden sollen. Auch solche Wechselausstellungen sind arbeitsintensiv. Steht einmal das Thema fest, muss eine Werkauswahl gemacht, Drittmittel gesucht, allfällige Leihgaben angefragt, Wände ausgemessen, Inhalte erforscht, Texte geschrieben, Flyer und Plakate gestaltet, Einladungen verschickt, Nägel eingeschlagen, Vitrinen verschoben, Objekte platziert, Werkschilder ausgedruckt und vieles mehr gemacht werden. In kleinen Betrieben ohne Techniker, Grafiker, Kuratoren oder Kommunikations- und Marketingabteilung bedeutet die Planung und der Aufbau einer solchen Ausstellung eine ganze Menge Arbeit und ein breites Wissen und Können.

Vermitteln
Ein wichtiger Bestandteil von Museumsarbeit ist die Bildung und Vermittlung. Dazu gehören nebst der einfachen Objektbeschriftung auch diverse Vermittlungsformate, wie etwa Führungen. Solche können im Moment selbstredend nicht angeboten werden. Allerdings haben wir bzw. bemühen wir uns auch während den Lockdowns darum, mit dem Publikum in Verbindung zu bleiben. Im Frühling des letzten Jahres haben wir auf Facebook Objekte aus den Sammlungen präsentiert, im November haben wir Videobotschaften aus der neuen Sonderausstellung geschickt und jetzt berichten wir mit diesem Blog über unseren Museumsalltag.

Und vieles, vieles mehr
Abfall entsorgen, aufräumen, Rechnungen verbuchen, Löhne zahlen, Kaffeekapseln, WC-Papier und Hygienemasken kaufen, Einsatzpläne schreiben, Anlässe organisieren (pre und post Corona), Heizöl bestellen, Briefe verschicken, Artikel schreiben, Konzepte erarbeiten, neue Vermittlungsformate erfinden, Telefon beantworten, Homepage à jour halten, Handwerker organisieren, Protokolle schreiben und eben vieles, vieles mehr.

Ein Museum ist kein statisches Gebilde. Dass sich viele Arbeiten hinter den Kulissen abspielen, scheint aber manchmal etwas in Vergessenheit zu geraten. Unserem kleinen Team geht jedenfalls die Arbeit so schnell nicht aus, unbesehen davon, ob das Museum nun offen oder zu ist. Von der Schliessung betroffen sind aber unsere Aufsichten. Denn ist das Museum zu, dann erübrigt sich ihre Funktion irgendwie. Ausser vielleicht im Kunstmuseum Basel, wie 20 Minuten unlängst zu berichten wusste. Dort musste das Personal den Dienst wie gewohnt verrichten, durfte aber immerhin die Zeit mit Stricken totschlagen. Das ist doch auch etwas.

Regula Berger
Direktorin im Schweizer Schützenmuseum, die ab und zu auch selber einen Nagel einschlägt