Eine (unbewaffnete) Frau im Schützenmuseum?!

Vor nicht allzu langer Zeit schrieb Christoph Reichenau, u.a. ehemaliger Leiter der Kulturabteilung der Stadt Bern und damit ausgewiesener Kenner des entsprechenden Kulturplatzes, im Journal B über «Frauen in der Berner Kultur». Die Liste ist beeindruckend lang und es ist wohltuend zu sehen, dass insbesondere auch Spitzenpositionen je länger je mehr von Frauen besetzt sind.

Ein Name fehlt allerdings in der Liste der «Frauen in der Berner Kultur». Derjenige der Direktorin des Schweizer Schützenmuseums Bern. Ich will mich keinesfalls darüber beschweren. Es sind zahlreiche Gründe denkbar, warum das so sein könnte. Vermutlich war die Kulturinstitution ganz einfach nicht auf dem Radar des Autors. Das kommt manchmal vor. Aber schade ist es trotzdem, ganz einfach schon daher, weil die Tatsache, dass das Haus von einer Frau geleitet wird, mitunter auf allergrösstes Erstaunen stösst. Während sich heute alle einig sind, dass auch eine Frau einem Kunstmuseum vorstehen kann, scheint das bei einem Schützenmuseum nicht der Fall zu sein. So etwa, wenn wir in E-Mails regelmässig und pauschal mit «Gentlemen» oder «Sehr geehrte Herren» begrüsst werden.

Vermutlich liegt das ganz einfach daran, dass die Thematik des Schiesswesens in den Köpfen vieler Leute unweigerlich mit dem «Mannsein» verbunden ist. Dabei ist das keinesfalls so, weshalb solche Vorstellungen auch weniger aus Schützenkreisen als von anderswo kommen. Die erste Frau hat bereits 1832 an einem Eidgenössischen Schützenfest teilgenommen und es folgten ihr viele mehr. Heute gibt es zahlreiche und sehr erfolgreiche Frauen, die den Schiesssport als Hobby aber auch als Athletinnen auf Spitzenniveau betreiben.

Auf das Erstaunen hin, dass die Zügel des Schützenmuseums in Frauenhänden liegen – übrigens nicht das erste Mal in seiner langen Geschichte – , folgt dann meist sogleich eine Anschlussfrage: «Aber dann schiessen Sie?» Offenbar scheint diese Fähigkeit unweigerlich mit meiner Funktion verknüpft zu sein. In der Tat war das auch lange so gewesen. Fritz Dätwyler, der erste vollamtliche Verwalter des Hauses von 1939 bis 1966, war Präsident der Vereinigten Schützengesellschaften der Stadt Bern. Es darf davon ausgegangen werden, dass er mit dem Gewehr umgehen konnte. Dasselbe galt schon von Amtes wegen für Polizist Ernst Büchi, der 1967 auf ihn folgte und auch Ferdi Piller, vormaliger Waffenrestaurator am Bernischen Historischen Museum, der von 1987 bis 2007 das Amt innehatte, dürfte ab und zu ein Schiesseisen abgefeuert haben. Nach seiner Pensionierung folgte dann die erste Frau, nämlich Kunst- und Architekturhistorikerin Cornelia Weber. Ob sie im Umgang mit Waffen geübt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es ist doch so: So wie die Direktorin des Kunstmuseums in der Regel keine Kunstwerke malt, muss auch die Direktorin des Schützenmuseums weder Pistole, Gewehr noch Armbrust abfeuern, um ihren Job richtig zu machen.

Zum Schluss eine kleine Episode: Eine sehr betagte Dame rief betreffend eines Schützennachlasses im Museum an. Nachdem sie sich nach dem «Chef» erkundigt hatte und ich ihr versicherte, dass das in der Tat ich sei, folgte ein «Aber Sie sind ja eine Frau!», was ich leicht entnervt und in Erwartung einer eher mühsamen Folgekonversation meinerseits bestätigte. Was aber kam war ein wunderbarer Monolog dieser Frau, die sich wie ein Honigkuchenpferd über den Umstand freute. Unglaublich sei das, fantastisch und zu ihrer Zeit nicht einmal denkbar gewesen. Und es wurde mir klar, dass es nicht immer selbstverständlich war, auch als Frau einen Beruf und eine Karriere haben zu dürfen. Und allzu lange ist es gar nicht her, wenn man bedenkt, dass das Frauenstimmrecht heuer erst das 50-jährige Jubiläum feiert.

Regula Berger
Direktorin im Schweizer Schützenmuseum, bewaffnet mit Schraubenzieher, Klebeband und Meterstab

 

Fotografie: Rita Knecht (rechts) mit einem unbekannten Mann und einer weiteren Dame (vermutlich Frieda Kulli) am Rütlischiessen 1947. Die Fotografie wurde von M. und RS. Aschwanden, Fotografen, Flüelen aufgenommen und stammt aus dem persönlichen Album von Rita Forster-Knecht, welches sich im Schützenmuseum befindet.